Stellungnahme zum Artikel „Ich und du und du“ im FALTER, Ausgabe Nr. 6/2017

Hallo!

Danke für dein Interesse an unserer Stellungnahme. Sie bezieht sich auf den am 08.02.2017 erschienenen Artikel im Falter Nr.6/2017.

Es ist uns wichtig, unsere Wertschätzung gegenüber Medien-Aufmerksamkeit auszudrücken. Wir sind bemüht, Journalist*innen in ihren Recherchen und Suchen nach Interviewpartner*innen zu unterstützen. Außerdem möchten wir auch Interessierten, die durch Medienberichte auf Polyamorie aufmerksam werden, dabei helfen, einen möglichst authentischen Eindruck von Polyamorie zu bekommen. Daher ist es uns wichtig, hier diese Stellungnahme zu veröffentlichen:

Wir von polyamory.at freuen uns sehr darüber, dass das Thema Polyamorie dem Falter eine Titelseite (Falter 06/2017) wert ist. Die beiden wohlwollenden Autoren haben (neben Interviews) ihre Eindrücke bei einem Besuch des Poly-connect im Februar in der Schwelle 7 gesammelt und in ganz vielen Aspekten akkurat, soweit das aus Außensicht bei einem ersten Besuch möglich ist, wiedergegeben. Im Artikel werden auch Eindrücke wiedergegeben, die der Vielfalt des Poly-Lebens in Wien nicht ganz gerecht werden. Dort, wo es uns wichtig ist, wollen wir ergänzen, Informationen nachreichen und gelegentlich widersprechen, damit sich Leser*innen des Artikels ein kompletteres Bild der Polyamorie (in Wien) erschließt, und dort, wo der Artikel aus unserer Sicht irreführend interpretiert werden kann, dies korrigiert wird.

Ein Teil der Wiener „Polys“ trifft sich bei den Veranstaltungen der Schwelle 7 wie dem Poly-Connect, dem Poly Karaoke oder der Polyamorie Gruppe. Andere Polys treffen sich wieder bei anderen Veranstaltungen, wie dem PolyTreff oder dem Queer Poly Meetup, je nachdem, wo sich wer zuhause fühlt. So manche findet man auf allen dieser Veranstaltungen, viele Polys in Wien verspüren aber gar keinen Zug zu Community-Leben und kommen nie zu einem Treffen, weil sie keinen Bedarf verspüren, sich auszutauschen oder neue Polys kennenzulernen. Etliche, die zu einem der Treffen kommen, sind Poly-„Anfänger*innen“ oder -„Interessierte“ und leben noch nicht oder noch nicht lange in Mehrfachbeziehungen.

Dass in der Schwelle 7 Kondome bereit stehen, hat mit der Schwelle 7 zu tun und nicht originär damit, dass man sich als Poly empfindet oder dass es eine Veranstaltung für Polys ist. Wie Polys ihre Lieben leben, ist sehr individuell. Rein platonisch Liebende findet man genauso wie Polys, die auch mal in den Swingerclub gehen. Nicht alle Polys verlieben sich gern, und es gibt sehr wohl sehr neugierige Polys. Allen gemeinsam ist, dass die beteiligten Personen Bescheid wissen und Vereinbarungen getroffen werden. Und dass Commitment und Verbindlichkeit hochgehalten werden, wenn sie vereinbart sind. Ist Poly regellos, nach dem Motto: „Mach, was du willst“? Nicht automatisch, das hängt von den Vereinbarungen ab. Vereinbarungen, die den anderen sein lassen, wie er*sie ist, erweisen sich aber meistens als nachhaltiger als stark einschränkende Regeln.

Dass Polyamorie ein „unverbindlicherer Beziehungssetzkasten“ ist, stimmt im Allgemeinen nicht. Wir sehen regelmäßig, wie die Offenheit in Polybeziehungen dazu führt, dass sich Menschen viel tiefergehend miteinander befassen, einander von ganz besonderen Seiten kennenlernen und noch genauer hinschauen, um zu sehen, was den anderen ausmacht. Polybeziehungen sind oft ganz besonders tiefe Beziehungen, nicht trotz, sondern wegen der Konfrontation mit weiteren Lieben. Und Paarbeziehungen müssen überhaupt nicht ausgedient haben. Es ist möglich, von seinen Werten her Poly zu sein, und trotzdem nur eine*n Partner*in zu haben, z. B. weil man gerade durch andere Lebensprojekte keine Zeit hätte, die man weiteren Partner*innen schenken könnte.

Und die Eifersucht: Wollen wir Eifersucht abschaffen? Das ist unmöglich! Sie ist eine Mischung aus Gefühlen, und Gefühle kann man nicht mehr steuern, sobald sie aufgetaucht sind. Es ist auch nicht gesund, Gefühle nicht zuzulassen. Natürlich verspüren viele Polys Eifersucht. Mit der Zeit lernt man, dass sie wieder vorbei geht, und dass ihre Ursache letztlich nicht im Verhalten des anderen gründet, sondern in Dingen, die in einem selbst vorgehen. Man kann als Poly gegen Eifersucht kämpfen, man kann sie aber auch als Teil seiner selbst umarmen und ihr keine Handlungshoheit zubilligen. Handlungen lassen sich deutlich besser steuern als Gefühle.

Zu guter Letzt: Kann das gutgehen? Oh ja, und wie 🙂 <3

Alles Liebe
Richard und der*die Sky
Wien, 08.02.2017